OmU

35 Jahre Kino achteinhalb

CABARET

Im Berlin der Dreißigerjahre trifft ein britischer Student auf eine gemischte Gesellschaft: einen jungen Emporkömmling, eine jüdische Kaufmannstochter, einen ebenso feigen wie ehrgeizigen Knaben und den quirligen Bühnenstar Sally Bowles, der mit energisch lauter, schriller Stimme gegen die braunen Machthaber ansingt. Das Erfolgsgeheimnis von CABARET, der 1972 sage und schreibe acht Oscars einheimste, liegt sicher auch darin, dass er nicht dem überholten Klischee verfiel, Musicals müssten generell für gute Laune sorgen. Im Gegenteil: Bob Fosses Meisterwerk verquickte eingehend braune Politik, Dekadenz und sexuelle Ausschweifung. Liza Minnelli, die einen der Oscars erhielt, demonstrierte als Sally Bowles unzweifelhaft, dass sie zu den größten Musical-Stars ihrer Zeit gehört. (Prisma)

Vielleicht sind ihre Ansichten über die Geschlechter und zum Thema Consent heutzutage etwas taktloser als 1972 oder 1931. Aber der Blick auf den Faschismus ist immer noch sehr aktuell: Extremismus und Rassismus werden durch Zynismus, Ironie und Erschöpfung ermöglicht. Diesmal konnte ich das todesmutige Grinsen von Joel Grey als Vorsitzender des rauen Kit Kat Clubs nicht sehen, ohne an den grinsenden Elon Musk zu denken, der eine nie enden wollende Twitter-Streit anheizt. Minnelli ist herrlich, besonders im Eröffnungsstück »Mein Herr«. Mit großartiger Hauteur sagt sie einem aufdringlichen Liebhaber, er solle sich verziehen. Ihre finale Nummer, die Hymne an das Cabaret selbst, bei der sich die beengte Bühne plötzlich zu vervierfachen scheint, ist ein echter Judy garland-Moment. CABARET ist nach wie vor eine erstaunliche Erfahrung, eine Welt, die fiedelt, während Rom sich anschickt zu brennen: düster sexy, elegant, mit einem überwältigenden Gefühl des Bösen. (The Guardian)

USA 1972, R: Bob Fosse, B: Jay Presson Allen, K: Geoffrey Unsworth, Sch: David Bretherton, M: John Kander, D: Liza Minnelli, Michael York, Helmut Griem, Fritz Wepper, 124 Min, FSK 16, OmU

kino achteinhalb: CABARET

Trailer

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